Untersuchungen zum Nachfließverhalten

Die moderne Betontechnologie bringt Vorteile im Baufortschritt und der Machbarkeit von komplexen Bauvorhaben. Frisch- und Festbetonkennwerte können durch geeignete Wahl von Ausgangsstoffen und Betonzusammensetzung in scheinbar unendlichem Maße für das spezifische Einsatzgebiet optimiert werden. Durch den raschen Fortschritt und gleichzeitig ständig wechselnde Rahmenbedingungen (Einbaubedingungen, neue Betonzusatzmittel etc.) erhöht sich jedoch auch die Gefahr, dass die Optimierung einer bestimmten Eigenschaft eine andere negativ beeinflusst. Solch ungewünschte Nebeneffekte, die sich als Fehlstellen negativ auf das Bauwerk auswirken können, sind durch ständige Weiterentwicklung und begleitende, baupraktische Forschung weitgehend auszuschließen.

Moderne, weiche Betone (Konsistenzbereich F52 und F59) für Bohrpfahlwände oder Schlitzwände weisen im Vergleich zu herkömmlichen Betonen bezüglich Verarbeitbarkeit markant abweichende Eigenschaften auf und es kommt selbst bei nach konventionellen Prüfverfahren und Augenschein den Anforderungen entsprechenden Beton, zu Schäden im Bauwerk.

Ursachen für die Schäden sind einerseits das Absetzen des Betons durch Entmischungen beim Einbau und andererseits, insbesondere bei Bohrpfählen, offene Fugen im Bereich der Rohrwandung, die erhebliche Längenausdehnungen aufweisen können. Diese Hohlstellen in der Kontaktzone des Bohrpfahlbetons mit dem Nachbarbohrpfahl oder Boden sind meist auf ein mangelndes "Nachfließverhalten" des Betons bei der Pfahlbetonierung zurückzuführen. Durch das alleinige Ziehen des Rohres und dem Betoneigengewicht (ohne gesonderte Verdichtungsmaßnahmen) ist bei ungeeigneter Betonzusammensetzung ein Nachfließen in den Ringspalt und/oder eine entsprechende Verteilung hinter die Bewehrung nicht sichergestellt, wodurch das beschriebene Schadensbild entsteht. Um diese Problematik aufzuklären wurde im Rahmen eines von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projektes umfangreiche Untersuchungen durchgeführt ("Robuster Bohrpfahlbeton", FFG-Projekt Nr. 835010).

Im Zuge des Forschungsprojektes wurde nach geeigneten Betonzusammensetzungen und Prüfmethoden zur Vermeidung der beschriebenen Fehlstellen gesucht. Ein wesentlicher Punkt für die baupraktische Akzeptanz war eine unkomplizierte, rasche Prüfungsdurchführung auf der Baustelle.

Die untersuchten Betonzusammensetzungen umfassten ein weites Spektrum der in Österreich zur Anwendung kommenden Zusammensetzungen und Ausgangsstoffe. Variiert wurden unter anderen Bindemittel (Zementtyp; Zusatzstoff; Kombination; Hersteller), Gesteinskörnung (Rundkorn/Kantkorn/Gemisch; Größtkorn; Hersteller) und verwendete Zusatzmittel (Produkte mit unterschiedlicher chemischer Basis; Hersteller).

Diese unterschiedlichen Betonzusammensetzungen wurden mittels eigens entwickelten Bohrpfahlsimulationsgerätes im Labormaßstab auf ihr Nachfließverhalten beurteilt. Abbildung 1 zeigt zwei extreme Beispiele für das Nachfließverhalten bei der Prüfung mittels Bohrpfahlsimulationsgerät. Während beim linken Bild offensichtlich ein ausreichendes Nachfließverhalten gegeben ist, kann beim rechten Bild nur von unzureichendem Nachfließverhalten ausgegangen werden.

Bohrpfahl Bohrpfahl 2
Darstellung des Nachfließverhaltens im Labormaßstab
mittels Bohrpfahlsimulationsgerät

 

Aus den umfangreichen Ergebnissen der Bohrpfahlsimulationsversuche konnte schließlich mit der Höhe des Bohrpfahlstumpfes ohne Kontakt zur äußeren Rohrwandung ein guter Kennwert als Anhaltspunkt zur Identifikation von geeigneten oder ungeeigneten Betonzusammensetzungen ermittelt werden.

Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden unterschiedliche Konsistenzbestimmungsmethoden auf ihre Aussagekraft zur Bestimmung der Nachfließfähigkeit untersucht. Folgende Prüfverfahren wurden angewandt:

  • Ausbreitmaß gemäß ONR 23303:2010
  • "Ausbreitfließmaß" (entspricht dem Ausbreitmaß gemäß ONR 23303, jedoch ohne Klopfvorgang)
  • Setzfließmaß gemäß ÖNORM EN 12350-8:2010
  • Fließmaß gemäß ÖVBB-Richtlinie "Selbst- und Leichtverdichtbarer Beton", Ausgabe 2012

Aufgrund der Versuchsergebnisse des Forschungsvorhabens ist die Bestimmung mittels Ausbreitfließmaß als am geeignetsten zur Bestimmung des Nachfließverhaltens anzusehen. Sie zeigt einerseits eine gute Korrelation mit den Ergebnissen der Bohrpfahlsimulationsversuche und den tatsächlichen baupraktischen Erfahrungen, und stellt andererseits ein Verfahren dar, welches mit dem in Österreich aufgrund der Ausbreitmaßbestimmung vorhandenen Gerät ohne wesentlichem Mehraufwand auch auf der Baustelle rasch durchgeführt werden kann.

Zusammenfassend können somit nachstehende Eigenschaften für die einfache Beurteilung eines für die Bohrpfahlherstellung geeigneten Betons mit ausreichendem Nachfließverhalten empfohlen werden:

  • Grundsätzlich ist ein möglichst geringer Konsistenzverlust, geprüft mittels Ausbreitmaß oder Ausbreitfließmaß, über die gesamte Verarbeitungszeit anzustreben. Eine entsprechende Auswahl einer günstigen Bindemittelkombination ist daher essentiell. Die eventuell erforderliche Verwendung eines Verzögerers ist abzuklären.
  • Zur Beurteilung des Nachfließverhaltens wird die Prüfung mittels Ausbreitfließmaß empfohlen. Auf Basis der Ergebnisse dieses Forschungsprojektes können folgende Grenzwerte (Mindestwerte) für das Ausbreitfließmaß, geprüft in einem Alter von 10 Minuten nach Wasserzugabe) als geeignet angesehen werden:
    • Für Betone mit einem Ausbreitmaß von etwa 60 cm 10 Minuten nach Wasserzugabe (entspricht etwa einer Konsistenzklasse F52): ein Ausbreitfließmaß von mindestens 40 cm
    • Für Betone mit einem Ausbreitmaß von etwa 65 cm 10 Minuten nach Wasserzugabe (entspricht etwa einer Konsistenzklasse F59): ein Ausbreitfließmaß von mindestens 50 cm.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden bereits in der Überarbeitung der ÖBV-Richtlinie "Bohrpfahlbeton" berücksichtigt um ehest bald eine praktische Umsetzung der Ergebnisse zu erreichen.